29. November 2008 16:31

Vor-Urteil Bestätigung?

N. Sonnenglantz (als Antwort auf diesen Artikel:
"Ausländerfeindlichkeit und Chauvinismus: Bayern liegt an der Spitze"
)

Ein interessanter Artikel der bei mir die Frage aufwirft in wie fern
eine negative Zuschreibung über "die Bayern" legitimer ist als eine
negative Aussage über "die Ausländer"? Auch wenn ich als Freiburger -
und damit als Baden-Württemberger in dem Artikel (zu unrecht?) gut
"weggekommen" bin, bleibt ein bedrückendes Gefühl über den Stil des
Artikels... 
M.E. ist eine problematische Ebene hinter "Rechtsradikalismus" und
"Antisemitismus" die, dass einzelne Individuen aufgrund einer
(kollektiven) Eigenschaft/Andersartigkeit be-/ver-urteilt werden,
bzw. in eine Art "Sippenhaft" genommen werden. Genau diese Tendenz
weißt nach meinem Gefühl aber auch dieser Artikel auf. 
Z.B. eine Aussage wie "neigen die Ostdeutschen stärker zur
'Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur'" unterscheidet sich
m.E. in ihrer Grundhaltung nur graduell von einer Aussage wie "die
Hamburger sind toleranter" und damit ebenso nur graduell von einer
Aussage wie "Eigentlich sind die Deutschen anderen Völkern von Natur
aus überlegen.". 
Ist z.B. eine Aussage "Schweizer sind tolle Mitbürger" so viel besser
als die Aussage "Ausländer überfremden Deutschland"? Ich denke in
seiner ersten Auswirkung wahrscheinlich schon, aber in der
Grundhaltung sind beide Aussagen Vorurteile und halten damit
langfristig betrachtet das System der kollektiven
Vor-ver-/be-urteilung aufrecht. 

Wie kann eine Gemeinschaft entstehen, wenn diese konsequent (z.B. in
"Ost- und Westdeutschland" oder in "tolerant und intolerant")
getrennt wird? Wenn kollektive Zuschreibungen - z.B. aufgrund äußerer
Merkmale - Menschen zwangs-gruppieren und (ab)trennen? Ist es gegen
"Rechtsradikalismus" hilfreich Zwangsgruppen zu bilden (z.B. die
Einwohner Bayerns) und diesen feste Eigenschaften zuzuschreiben? Ist
es nötig "andere Gruppen" schlecht zu machen um sich selbst besser zu
fühlen (z.B. "die Bayern" im Gegensatz zu "ich in Hamburg")?

Eine Formulierung wie "Fast die Hälfte der BEFRAGTEN Ostdeutschen
stimmt ausländerfeindlichen Aussagen zu, in Westdeutschland macht
dies ein Drittel." würde schon ein wenig helfen. Grundsätzlich stellt
sich jedoch die Frage ob überhaupt ein solch grobes Kategoriensystem,
das dazu verführt einen leicht zu umgrenzenden Teil der Menschheit in
einen Topf zu werfen gerade beim Thema "Rechtsradikalismus" hilfreich
sein kann? Wenn nun in einem Artikel nicht "die Ausländer" sondern
"die Bayern" mit negativen Zuschreibungen bedacht werden, zeigt dies
m.E. nur, dass sich das Toleranz-Feld verschoben hat, jedoch die
Haltung Menschen zusammenfassend kategorisieren zu wollen und ob
dieser Kategorisierungen pauschal zu be-/verurteilen (auch auf einem
anderen Niveau) geblieben ist.

Die Kommentare hier im Forum wie "Ich habe das dort auch (nicht)
erlebt" zeigen zusätzlich wie verführerisch es ist auf die
Argumentationslinie dieses Artikels einzusteigen - auch wenn sie dem
Problem eigentlich zugrunde liegt...

(Aus diesem Grund erübrigt es sich für mich auch zusätzlich auf
weitere kleinere journalistische Merkwürdigkeiten einzugehen, wie
z.B. warum Bayern in der Überschrift genannt wird, wenn "die
Repräsentativität zwar für die Bundesrepublik, aber nicht für die
einzelnen Bundesländer gesichert sei" und darüberhinaus selbst bei
den genutzten Zahlen Sachsen-Anhalt vor Bayern liegt...)